Montag, 18. Februar 2013

Krämpfe



Der Tag beginnt früh mit Krämpfen, Träumen von Clowns und verstörender Verfolgung. Im Bus leidet die Ansage unter Demenz und wiederholt in einem fort die Haltestelle, bis man endlich an der nächsten angelangt ist, wo das Spiel wieder von vorne beginnt. Fast scheint es als könnte sie ihre Vergangenheit nicht los lassen und klammere sich an das Wort als letzten Bezugspunkt zu einem Ort, der hinter ihr liegt. Zu all dem fällt ein leichter Nieselregen in das noch trübe Licht eines neuen Tages ohne dich und damit ohne die Möglichkeit etwas davon mit dir zu teilen. 

Das ist das eigentlich Schwerste neben der fehlenden Nähe. Ich träume wieder völlig für mich allein und weiß nichts von deinen nächtlichen Reisen. Das Leben schrumpft zusammen auf einen allzu überschaubaren Raum, aus dem scheinbar nichts nach außen dringt in all die parallelen Lebenswelten und –Wirklichkeiten. Abschottung, Isolation und ich vermag scheinbar nichts zu ändern so sehr ich mir auch die Fäuste blutig hämmere an dem ehernen Schott, durch dessen schmales Bullauge mir gerade noch ein verzerrter Blick auf die Welt außerhalb meiner selbst möglich ist – und viel zu oft der Eindruck entsteht, dass ich dort draußen dann dein Leben vorbeiziehen sehe. Dein neues Leben ohne mich, das durch die schmale Öffnung, durch die ich blicke, so strahlend und verlockend erscheint. 

Ich wüsste gern, was sich darin alles tut, was dich bewegt und welche Gedanken dich umtreiben und will es im Grunde doch nicht wissen, denn noch liegen zwischen uns scheinbar unüberwindlich Lagen um Lagen von Enttäuschung und Bitterkeit. Was will ich also von deinem Leben hören, wenn ich doch davon abgeschnitten hier drinnen gefangen bin? Quält man einen Häftling nicht am meisten mit Geschichten von der Freiheit? Oder gibt man ihm damit Hoffnung? Doch welcher Mut sollte mir daraus erwachsen, dass sich dein Leben nunmehr von meinem fort bewegt, das die Distanz womöglich wächst bis sie nichts mehr zu überbrücken vermag? Es ist nicht so, dass ich dich nicht glücklichen wissen mag, es erscheint mir nur so ungerecht, dass ich hier wegen dir in der Kälte hocke, während du dein Herz, das sicher auch unter einem kalten Hauch erschauert, dort draußen in der Sonne wärmen kannst. Du musst das, das verstehe ich. Du kannst gar nicht anders, das ist mir klar. Aber deswegen muss es ja noch lange kein erträglicher Gedanke sein, denn einst war meine Umarmung alles was du brauchtest um die frostigen Nächte zu überstehen.

Heute schließen sich in den dunklen Stunden meine Arme nur noch um mich, wollen Halt geben – nur nicht mir. Und so liege ich da, mit verkrampftem Herzen und warte auf den nächsten Traum, den ich nicht mehr mit dir teilen darf.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen