Freitag, 29. März 2013

panta rhei II

Habe ich dich je gekannt? Kann man das denn überhaupt: einen Menschen wirklich kennen? Noch vor ein paar Wochen hätte ich nicht allzu lange gezögert, die Frage mit ja zu beantworten. Doch seitdem ist viel passiert und so wie ich Zeit hatte über mich nachzudenken und teilweise überrascht war, was ich alles dabei fand, so hatte ich auch Gelegenheit mir Gedanken über dich zu machen. Nicht nur darüber, was du getan und nicht getan hast, sondern vielmehr, warum du vielleicht bei manchen Dingen gar nicht anders handeln konntest – oder eben, warum du so entschieden hast, wie du es getan hast, wenn du eine Wahl hattest. Einige Dinge ließen sich dabei noch mit dem Fundus an Wissen erklären, den ich ansammeln konnte in den Tagen, als wir noch miteinander sprachen und es zumindest so schien, als verstünde der eine  den anderen. Aber eben nicht alles. Manches war mir völlig unbegreiflich und trug dazu bei, dass mir der Abschied so schwer fiel.

Inzwischen konnte ich mir auf das meiste einen Reim machen – egal ob nun im Guten oder Schlechten. Im Nachhinein verstehe ich dich, oder wenigstens die Motivation deines Tuns, besser. Doch das ist eben nur im Nachhinein und wer weiß, was inzwischen aus dir geworden ist? Wir wechseln zwar mittlerweile wieder ab und an das ein oder andere Wort, aber dabei werfen wir einander doch im Grunde lediglich Knochen hin; sorgsam ausgewählt, darauf bedacht, dass ja kein Fleisch an ihnen sei. Reden tun wir noch lange nicht wieder miteinander und wer weiß, ob wir das jemals wieder werden; ja überhaupt wollen werden und selbst wenn, ob wir es noch könnten.

Alles fließt. Du sprunghaft durch deine eigene Welt, von einem Katarakt zum nächsten und durch mich ein träger, verschlungener Strom von Gedanken, in dem ich mich manchmal zu verlieren drohe. Jeder Meter verändert uns und hin und wieder verändern wir auch einen kleinen Abschnitt des Weges. Doch solange wir dabei nicht im selben Boot sitzen, wie könnte ich da behaupten, dich zu kennen? Wir wurden lediglich zusammengetrieben und haben für eine Weile Geschichten ausgetauscht, aber nun lenken uns Strömungen jenseits unserer Kontrolle wieder auseinander. Was bleibt, sind die Geschichten. Allein, eine Erzählung muss uns noch lange nichts über den Erzähler verraten. Vielleicht war sie frei erfunden? Vielleicht sollte sie uns etwas Bestimmtes glauben machen? Möglich aber auch, dass der Erzähler selbst sie nicht verstanden hat und nur um der schönen Worte willen wieder gab.

Es bleibt also nichts. Nichts außer Erinnerungen und Fragen und niemand, dem man sie noch stellen könnte, denn derjenige, der sie hätte beantworten können, ist längst nicht mehr; ist ein anderer Mensch, mit anderen Erinnerungen und anderen Fragen, die vielleicht auch niemand mehr beantworten kann.


Mittwoch, 27. März 2013

Der Krug


Der Krug, den du zerbrochen hast - ich werde ihn wieder flicken. Es mag mir dabei vielleicht nicht gelingen, alle Risse zu kitten, aber ganz dicht war er ja noch nie.

Dank

Habe ich mich eigentlich schon bei dir bedankt? Dafür, dass du mich hast so hoch steigen lassen wie nie, bis ich vor lauter Höhenrausch kaum noch klar denken konnte, nur um mich dann wieder hinabzustoßen, hinunter auf den harten Boden der Realität und noch tiefer; tief in die lichtlosen Abgründe meiner selbst, wo schauderhafte Gestalten nur auf meinen Sturz gewartet haben um über mich herzufallen wie ein Rudel ausgehungerter Hunde. Nein, oder? Dann lass mich jetzt die Gelegenheit ergreifen, denn Dank gebührt dir ohne Zweifel. Ich hätte mich doch nie den Dämonen in mir gestellt, hättest du sie nicht mit meinem noch schlagenden Herz in deinen blutigen Händen von ihren Ketten befreit. Sich ihrer nun zu erwehren mag nicht leicht sein, aber immerhin habe ich jetzt die Gelegenheit sie ein für alle Mal zu erschlagen, statt stetig in Furcht zu leben, sie könnten eines Tages ausbrechen.

Du hast mich zurückgeworfen auf mich selbst und mich mit mir allein gelassen. Doch nur aus dieser Einsamkeit und Verzweiflung konnte die Gewissheit erwachsen, dass auch an den tiefsten Punkt des Abgrunds noch ein Fetzen Licht dringt. Ein hartes Licht zwar, in dem aber so viele Dinge weitaus klarer und lebendiger erscheinen, als sie es je im Rausch der Höhe waren, der den Geist vernebelt hat. Erst wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, entdeckt man wieder, was in den Schatten verborgen lag, unsichtbar, so lange einem die Sonne ins Gesicht schien.

Und habe ich mich schon für den Raub meiner Hoffnungen erkenntlich gezeigt? Wie viel leichter lebt es sich, wenn nicht Erwartungen in einem fort mit einer Wirklichkeit kollidieren, die blind und taub ist für die zarten Stimmen der Hoffnung. Durch dich bin ich aus dem Traum gefallen in eine Realität, die keine Träume kennt. Was du mir gestohlen hast, kann mir nun niemand mehr nehmen und so kann ich gelassener in die Zukunft blicken, in der es für mich nichts mehr zu verlieren gibt. Ohne Glauben an ein besseres Morgen, gibt es keine enttäuschende Dämmerung.

Ich weiß jetzt mehr über mich, als ich vielleicht je wissen wollte und ich wäre sicher auch ohne diese Lektion zufrieden alt geworden. Nichtsdestotrotz danke ich dir; für diese Lehre und den kurzen Rausch davor, der dafür gesorgt hat, dass sie umso mehr schmerzte und damit umso prägender war. Ich werde nie vergessen, was du mir angetan hast; aber auch dich nicht und nie wieder mich selbst.

Dienstag, 26. März 2013

auf leisen Sohlen

Du schleichst dich noch immer ab und an auf leisen Sohlen ungebeten in meine Träume, flüsterst dort zuckrige Worte der Vergangenheit, an denen der Träumer kleben bleibt und deine substanzlosen Lippen heben vieles von dem, was ich versenkt und vergessen wähnte aus der Dunkelheit ins Zwielicht des Traums. Ich weiß, dass diese schöne Chimäre nicht du bist. Sie ist die Manifestation dessen, was ich in dir sah, was ich von dir glaubte und weit entfernt von dem, was du jetzt bist. Vielleicht sogar weit entfernt von dem, was du je warst. Ich weiß auch, dass sie nicht mit deiner Zunge spricht, sondern nur tief sitzenden Erinnerungen eine Stimme verleiht – vielleicht ja weil diese sich gegen das Vergessen wehren wollen. Wer weiß.

Meinem Verstand ist das alles in jedem wachen Moment bewusst und diese Traumgespinste, so emotional sie auch sein mögen, lassen nicht einmal mein Herz mehr so bluten wie einst. „No more tears, my heart is dry“ heißt es sehr treffend bei einem gerade ziemlich beliebten Israeli. Doch völlig unbeeindruckt lassen mich die Begegnungen mit dem Abbild meiner verlorenen Hoffnung leider auch nicht. Es ist keine Trauer mehr, aber doch Wehmut, denn das Trugbild, was du zu sein vorgibt, webt aus den Geschichten von gestern kunstvoll ein Märchen von dem, was morgen hätte sein können und die simple Schönheit dieser kurzen nächtlichen Vision, sowie die verpassten Gelegenheit auf Glück sind es, die bittersüß in meinen Morgen sickern.


Asaf Avidan & The Mojos & Shlomi Shaban - Reckoning Song

Freitag, 22. März 2013

Blei

Es gibt Tage, an denen man einfach am besten im Bett bleiben sollte, auch wenn die Sonne einen noch so sehr anlacht. Man erkennt diese Tage sehr gut daran, dass besagtes Lachen einem in den Schädel fährt wie ein heißes Messer in die sprichwörtliche Butter. Geblendet schließe ich die Augen hastig wieder in der vagen Hoffnung auf Linderung. Doch wo das Stechen vorerst weicht, springt der Magen in die sensorische Bresche und erinnert mich daran, dass man paradoxer Weise auch nach dem Erbrechen noch das Gefühl haben kann, bis zum Magenmund abgefüllt zu sein. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, den Großteil meines gestrigen Nahrungsmittel- und Alkoholkonsums an irgendeiner Bushaltestelle zurückgelassen zu haben.

Während ich den Würgereiz mühsam unterdrücke, versuche ich aus den inkohärenten letzten Bildern des Abends zu schlussfolgern, wie ich eigentlich im Bett gelandet bin. Aber mein Kopf scheint wie die Lostrommel, die sich gerade dort dreht, wo mein Magen eigentlich sein sollte, bis zum Bersten mit flüssigem Blei gefüllt. Auf diesem treiben die Gedanken zäh dahin, ohne erkennbare Richtung oder Verbindungen. Nach einer Weile gebe ich es auf und lasse den Mysterien vom stehen gebliebenen Bus und dem Erscheinen eines Taxis aus dem Nichts ihren nebulösen Zauber. Man muss ja auch nicht alles wissen.

Eins weiß ich aber leider nur zu gut: ich muss los zur Arbeit. Verdammt, auch das noch. Vielleicht doch lieber krank melden? Die Aussicht auf 8 Stunden in meiner momentanen Verfassung am Schreibtisch weckt nicht gerade Begeisterung. Letztlich siegt dann aber doch das Pflichtgefühl über den Schlendrian, nicht zuletzt da der Umstand, dass Kollegen an meiner aktuellen Topform nicht gänzlich unbeteiligt waren, eine plötzliche Erkrankung als recht durchsichtige Ausrede erscheinen lässt. Also hieve ich die bleischweren Knochen vorsichtig aus dem Bett, bedacht auf kleine Schritte um das Phänomen, welches in der Nautik als Rollen bezeichnet wird, möglichst zu begrenzen. Seekrank bin ich, wie mir scheint, schon genug.

Zum Glück ist es mit dem Duschen wie mit dem Fahrradfahren: einmal erlernt, schafft man es in fast jedem Zustand noch ans Ziel zu kommen, auch wenn die Haltungsnoten heute sicher kein Publikum vom Hocker gerissen hätten. Was zählt ist ja aber das Ergebnis und mit leidlich renovierter Visage lässt sich dem Tag und den Menschen darin doch viel leichter geistige Anwesenheit vorgaukeln.

Der Weg zum Bus gerät zum ersten Höhepunkt des Tages: zur Abwechslung mal kein Schnee sondern zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder Sonne und ein so strahlend blauer Himmel, dass selbst der flauste Magen nicht verhindern kann, dass sich ein feines Lächeln auf meine Züge stiehlt. Ich bin beinahe versucht den Schnee zu übersehen und das mit dem Frühlingsanfang für bare Münze zu nehmen. Die kleinen Dinge und so. Die gute Laune hält jedoch nur bis zum ersten Versuch, auf der Arbeit produktiv zu sein, was zunächst ähnlich gut gelingen will wie die Rekonstruktion meiner nächtlichen Heimkehr. Schwermetall statt Lösungen im Kopf und die Minuten rinnen zäh dahin wie langsam erkaltende Schlacke. 
 
Und dann spreche ich auch noch seit Langem zum ersten Mal wieder mit dir und ich bin mir nicht sicher, ob es an meiner fragwürdigen Tagesform liegt oder andere Gründe hat, aber ich habe fast das Gefühl die Worte einer Fremden zu lesen. Ich glaube auch dir ergeht es ähnlich und du weißt selbst nicht so recht, was du noch mit mir anfangen sollst. Sicherlich kein weiterer Höhepunkt, wenn auch weit entfernt von einem Tiefpunkt. Einfach nur ein merkwürdiges Gefühl an einem Tag, der, wenn man ihn beschissen nannte, wohl nur mit den Schultern zucken und zur Antwort geben würde: „Selbst schuld, was bist du auch nicht einfach im Bett geblieben?“

Dienstag, 12. März 2013

endings

All stories end, eventually. Winter is a good time for such endings, as they might say that grass has to grow over things before they can get better, but how is grass supposed to grow on a still beating heart? No, winter is a good time. You open up to the frost despite its sharp bite, as soon numbness will befall your body so that you won’t feel the passing of things you never even dared to think of living without. But like a mongrel on three legs you stumble on, unstable at first and certainly tottering. Yet you carry on somehow and with the exercise, life returns into your remaining limbs, little by little until one day far ahead on the road you might actually be able to hear again a faint pulse in that closed chest of yours; long forgotten under moss and grass which have been growing silently all this time. Yes, all things and stories come to an end one day and no such ending is ever a welcome one. But there are a great many things out there, ever a tale to tell. It might not be ours anymore, yet it sure is worth living.

Since google translate sucks:
Alle Geschichten enden irgendwann. Der Winter ist dazu eine gute Zeit, denn man sagt zwar, das Gras über Dinge wachsen müsse, bevor etwas besser werden könne, aber wie soll auf einem noch schlagenden Herzen Gras wachsen? Nein, der Winter ist eine gute Zeit. Du öffnest dich dem Frost, auch wenn er am Anfang noch beißt. Doch Taubheit setzt irgendwann ein und du spürt nicht, wie nach und nach Dinge absterben, ohne die zu leben du dir nicht vorstellen mochtest. Aber wie ein Hund auf drei Beinen humpelst du weiter. Am Anfang sicher noch ungeschickt und Stürze bleiben nicht aus. Aber du gehst weiter, es geht weiter, irgendwie und mit der Bewegung kommt nach und nach wieder Leben in deine verbliebenen Glieder, bis eines Tages vielleicht sogar wieder ein leises Pochen in deiner Brust zu vernehmen ist, lange vergessen unter Moos und Gras, die in aller Stille gewachsen sind. Ja, alle Dinge und Geschichten enden, irgendwann und kein solches Ende ist je willkommen, aber es gibt dort draußen noch so viel zu erzählen. Es mag nicht mehr unsere Geschichte sein, aber sie ist es sicher wehrt, gelebt zu werden.

Montag, 11. März 2013

Der Nichtwähler

Wir sind die Mehrheit. 47% der Wahlberechtigten in NRW, 41,6% in Niedersachsen; die ehemaligen Volksparteien komfortabel abgehängt! Da schauten die Analysten natürlich wieder in ihre Kristallkugeln und wunderten und orakelten, wie das nur sein könne. Es geht doch immerhin um politische Weichenstellungen! Der Wähler hat die noble demokratische Aufgabe und Chance, seinen Repräsentanten zu wählen, sich für unterschiedliche Konzepte zu entscheiden. Warum bloß nimmt der Trottel diese Gelegenheit nicht wahr? Ist es ihm denn egal? Will er sich nicht beteiligen? Ist er so undemokratisch? Ja, das muss es sein. Ist ja auch typisch deutsch. Immer nur meckern, aber dann nicht den eigenen Hintern von der Couch kriegen. Ja so ist er wohl der deutsche Wähler, beziehungsweise Nichtwähler – oder?

Ist es nicht vielleicht so, dass der Nichtwähler gar nicht so politisch uninteressiert und uninformiert ist, wie ihm gerne unterstellt wird? Ja, freilich, diesen Typus gibt es selbstverständlich auch, aber wenn ich mir anschaue, wer da jahrein, jahraus mit welchen Versprechungen und Unideen gewählt wird, dann kann es doch bei aller Liebe um den politischen Verstand des Durchschnittswählers auch nicht gerade rosig bestellt sein. Faule Äpfel gibt es bekanntlich überall. Ich glaube ein Großteil derer, die sich ihrer Stimme enthalten, tun das ganz bewusst, gerade weil sie politisch interessiert sind, mehr sogar noch als der Durchschnittsbürger und aufgrund dieses Interesses auch ein gewisses Urteilsvermögen mitbringen, das über das Verteilen von Sympatiepunkten an nierenspendende Politiker hinausgeht. Der Nichtwähler ist gewissermaßen dem Wähler einen Schritt voraus. Während sich dieser noch überlegt, von welcher Kürschnerinnung er sich die nächsten 4 Jahre das Fell über die Ohren ziehen lässt, zieht der Nichtwähler aus der sich ihm darbietenden Alternativ- und Ideenlosigkeit die einzig logische Konsequenz und verweigert der angetretenen Schauspieltruppe seine Stimme.

Denn seien wir doch ehrlich, den Budenzauber der sich großspurig als bundesdeutsche Politik bezeichnet, kann man bei genauerem Hinsehen doch überhaupt nicht ernst nehmen, geschweige denn wählen. Die veröffentlichte Meinung kreist um Debatten, zu denen Journalisten vor einigen Jahrzehnten bestenfalls noch irritiert die Augenbrauen erhoben hätten, nicht aber das geschriebene Wort. Aber wen sollte das wundern in einer durch und durch kommerzialisierten Gesellschaft in der das Kapital über alles gestellt wird, selbst noch über die angeblich vierte Gewalt? Von einer kommerziell organisierten Presse ist wohl kaum zu erwarten, dass sie sich inhaltlich mit Fragen oder vielmehr noch mit Antworten jenseits der sie konstituierenden wirtschaftlichen Verhältnisse auseinandersetzt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. So einfach ist das und bislang wurden noch keine überzeugenden Argumente gegen diese einfache These vorgebracht. Und so stilisiert diese deutsche Presse die lauen und argumentativ armen Debatten unserer Parteienlandschaft zu einem titanischen und verbissenen Ringen der unterschiedlichen politischen Lager – obwohl einem eigentlich alle das Gleiche erzählen, nur vielleicht ein wenig anderes verpackt – oder es wie die Kanzlerin halten und bei näherer Betrachtung im Grunde gar nichts sagen. Vielleicht ist das das eigentliche Geheimnis hinter dem Wahlerfolg der Piraten: noch stehen sie für nichts oder zumindest für nichts, unter dem sich der Wähler konkret etwas vorstellen könnte. Aber da rätzeln die Meinungsforscher noch.

Meinungsforschung. Das ist auch so ein Thema. Mir hat mein Professor mal gesagt: „Eine Meinung hat in einer wissenschaftlichen Arbeit nichts verloren.“ Jetzt erklär mir dann aber bitte mal jemand, wie Meinungsforschung als Wissenschaft anerkannt werden konnte? Meinungsforschung: Kaffesatzlesen aus den unausgegorenen Ausscheidungen des Stammtisches. Und das ist heute teilweise wichtiger für politische Entscheidungen als gesunder Menschenverstand, von Sachverstand einmal ganz zu schweigen. Eine Kanzlerin wie Angela Merkel schafft es sich an der Macht zu halten, obwohl sie inhaltlich für nichts steht. Genauer gesagt steht sie für nichts sehr lange, sondern hängt ihre Fahne immer nach der aktuellen Wetterprognose der großen Umfrageinstitute.

Und dieser Frau beziehungsweise ihrer Partei soll ich meine Stimme geben? Nein danke! Aber welche Alternativen habe ich stattdessen? Wie bereits erwähnt, wagt es doch niemand von politischem Gewicht, der Mutti der Nation zu widersprechen, wenn sie von der Alternativlosigkeit ihrer ausbeuterischen Politik spricht, von der allein das Kapital profitiert, nicht aber das gemeine Wahlvolk, dessen Löhne stetig stagnieren wenn nicht sinken, dessen Renten gekürzt werden, das bis ins Grab arbeiten muss während sich vor seinen Augen die Kaste raffgieriger Manager und Banker wie in einem Selbstbedienungsladen gütlich tut – selbstherrliche Posen der Verhöhnung inbegriffen. Wo könnte denn der Wähler sein Kreuzchen setzen, um dieser Schlachtung mit Ansage auf dem Altar des Neoliberalismus zu entgehen?

Die SPD ist doch mittlerweile eine vor lauter Luftanhalten rot gewordene CDU. Sie weigert sich regelrecht vor der Regierungsverantwortung, indem sie seit Jahren rot-rot-grün kategorisch ausschließt, obwohl die verbliebenen Wähler diesem Bündnis in einer Landtagswahl nach der anderen eine Mehrheit verschafft hätten. Diese Partei will doch gar nicht mehr alleine die Verantwortung tragen, nachdem man doch mit Mutti ihm Boot so kuschelig gefahren ist und am Ende niemand Schuld am angerichteten Schlamassel hatte – wie das immer so ist, wenn alle es waren. Ein weiterer Beleg dafür ist doch die Nominierung Peer Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten, für die es nur 2 mögliche Erklärungen gibt: entweder, der Mann wurde von der CDU geschickt eingeschleust um die SPD zu sabotieren, oder aber SPD-Führung wie Basis selbst wollen einen Wahlsieg um jeden Preis verhindern. Wie sonst wäre diese eklatante Fehlbesetzung zu erklären? Ein ideologisch rechtsgerichteter SPD-Kanzlerkandidat, der mehr Gehalt für den Kanzler fordert? So blöd kann man gar nicht sein – das ist doch Absicht.

Die FDP muss eigentlich als verfassungsfeindlich bezeichnet werden, so sehr wie sie sich in ihren Steuersenkungstiraden darum bemüht, den Staat als die Wurzel allen Übels in den Köpfen der Menschen zu verankern, als würden mit Steuergeldern keine Straßen gebaut und für ein gewisses Maß öffentlicher Ordnung und Versorgung gesorgt, sondern Hundebabys erstickt und Terroristen finanziert. Zumindest über letzteres könnte man freilich durchaus diskutieren, aber ich schweife ab. Aber auch ihre Weigerung gegen kritische Formulierungen im Armutsbericht und die damit verbundenen Leugnung der zerstörerischen Fliehkräfte des Kapitalismus auf die Gesellschaft zeugen nicht gerade von einer Grundhaltung, die nicht so recht mit Menschenwürde und Sozialstaatsgebot des Grundgesetztes zusammenpassen will.

Bleiben derzeit noch die Grünen und die Linke. Insbesondere die Grünen haben ja nachwievor das Image einer alternativen Partei, doch sieht man genauer hin, dann singen sie das Hohelied des Kapitalismus genauso wie die, zu deren Ablösung sie vor Jahrzehnten angetreten waren, nur eben in einer anderen Klangfarbe. Doch ein paar Blumengirlanden machen aus einem Exerzierplatz noch lange keinen Kinderspielplatz. Auch bei den Grünen geht es im Kern doch einzig und allein um Wachstum als Lösung aller Probleme, aber es soll halt bitteschön grün sein. Aber Hand aufs Herz: auch Kinderarbeit kann CO²-neutral sein.

Solange wir Antworten immer nur innerhalb dessen suchen beziehungsweise geboten bekommen, was uns der Kapitalismus an Handlungsalternativen vorgibt, können wir die Probleme, die durch diese Wirtschaftsform hervorgerufen werden, nicht lösen. Das ist verkürzt gesagt so, als würde jemand versuchen, sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Erst, wenn wir die Logik des Systems kritisch beleuchten und ernsthaft versuchen jenseits der ausgetretenen Pfade Lösungen zu finden, dann kann es vlt. gelingen, aus dem Kreis immer gleicher, nur neu verpackter Platituden auszubrechen. Die einzige deutsche Partei, die dies derzeitig noch – und immer zaghafter – wagt, ist die Linke. Sie wird jedoch von den bereits angesprochenen Medien derartig niedergeschrieben, dass sie für viele Wähler einfach keine realistische Option ist. Dabei hilft die Haltung der SPD sowie das teilweise selbstzerstörerische Verhalten einzelner Parteimitglieder relativ wenig. Man wird einfach nicht als ernstzunehmende Kraft wahrgenommen, wenn niemand mit einem zusammenarbeiten will und man gleichzeitig noch den greisen Führern karibischer Diktaturen zum Geburtstag für ihr Lebenswerk gratuliert. Da können im Parteiprogramm noch so richtige Sachen stehen.

Wer fragt sich angesichts dieses desolaten Bildes noch ernsthaft, warum so viele Menschen in diesem Land sich nicht an Wahlen beteiligen wollen? Ihr wollt wieder mehr Wähler an den Urnen? Dann bietet wirkliche Alternativen! Streitet euch und ringt um wirkliche Lösungen, nicht nur faule Kompromisse, die Problem nicht lösen, sondern allenfalls verschleiern! Solange es rein gar nichts ändert, wen man wählt, so lange wird die Zahl derer, die dieses Theater nicht mehr mitmachen, immer größer werden. Die absolute Mehrheit winkt!

Sonntag, 10. März 2013

Frühling



Hoffnung kann eine trügerische Mätresse sein.  Eben noch wiegt sie dich in ihren Armen und malt dir in leuchtenden Farben all die Bilder aus, die du tief im Dunkel deines Herzens versteckst und im nächsten Moment, kaum dass du dich versiehst… schneit es erneut.  

 Begann die Sonne in den letzten Tagen schon wieder zu wärmen, dass man versucht war an ein Ende der grauen Monate zu glauben, schoben sich unversehens tief hängende Wolken und ein eisiger Wind zurück über die Förde und breiten nun ein weißes Leichentuch über das noch blasse Gestirn und mit ihm tragen sie die ersten zaghaften Gedanken an einen Frühling zu Grabe. Das erste verhaltene Vogelgezwitscher verstummt und man vernimmt abermals allein den Ruf von Rabe und Möwe. In der Luft tanzen statt Blütenstaub und Honigbienen unzählige Eiskristalle in wilden Wirbeln und verwischen alle Konturen, bis wieder alles versunken scheint in weißem Schweigen.  


Doch so trügerisch die Hoffnung auch sein mag, so hartnäckig ist sie auch und während draußen die Welt erneut erstarrt, schmiegt sie sich an dich und flüstert dir neckisch lachend ins Ohr: „Bald.“

Samstag, 2. März 2013

Pferdefleisch in der Milch


Gerade war es noch die unlauter etikettierte Fertiglasagne, die die Gemüter erregte, weil Pferd als Rind verkauft wurde. Als wäre nicht schon die Bezeichnung Lasagne ein Betrug am Kunden – oder will mir jemand ernsthaft erzählen, dass das, was da aus dem Tiefkühlfach über die Mikrowelle durch den Magen wieder in die Umwelt gelangt, habe tatsächlich etwas mit einer Lasagne pasticciate zu tun gehabt? Da könnte man auch gleich behaupten Lothar Matthäus sei ein hervorragender Gärtner, da er einen erheblichen Teil seines Lebens auf einem gepflegten Rasen zugebracht hat. Und was ist überhaupt so schlimm am Pferd in der Lasagne? Was macht das eine tote Tier besser als das andere? Oh, die Wahl des Verbrauchers, natürlich. Der arme konnte sich ja wiedermal nicht wehren. Buhu. Weil er bei dem Preis ja auch ein hochqualitatives Produkt erwarten konnte. Lächerlich. Der Verbraucher will doch belogen werden. Er will die ganzen unbequemen Wahrheiten über das, was ihn ernährt, doch gar nicht wissen – denn das könnte er längst. Es ist nicht gerade Geheimwissen, wie Küken vergast und geschreddert werden und dass wir für all die Burger auf dieser Welt gar keinen Platz hätten, sollten sie alle von glücklichen Kühen kommen, dass kann sich auch der größte Realitätsmuffel noch recht leicht vorstellen. Nur er will es eben nicht. Er will sich vollstopfen mit möglichst billigem Müll und wenn er schon Abfall frisst, was schert es ihn dann, wenn das Lebewesen, dass man dazu verhackstückt hat, schon zu Lebzeiten wie Dreck behandelt worden ist?

Interessiert niemanden. Aber um ganz sicherzugehen wird der nächste Skandal ausgepackt. Jetzt ist die Milch durch Futtermais vergiftet. Jetzt müssen die deutschen Milchbauern die Milch eventuell mit ernster Miene vernichten, anstatt ihr subventioniertes Produkt wutentbrannt in irgendwelche Gullys zu kippen, weil der Preis mit dem erdrückenden Überangebot nicht mithalten kann. Und bald ist es dann wieder Geflügel. Irgendein Erreger öffentlicher Hysterie wird sich schon finden. Nur immer schön laut pfeifen, während man durch den dunklen Wald geht. Dabei haben wir längst keinen Wolf mehr zu fürchten – außer man glaubt der Mecklenburger CDU, die - wohl aus Futterneid - eine gerade erst wieder angesiedelte Tierart zum Abschuss freigeben will, da der „Schutz von Nutztieren“ Priorität besitzt. Als wenn es für das Lamm einen Unterschied macht, ob es vom Wolf gerissen oder vom Schlachter zerstückelt wird. Und wer schützt die 20 000 „Nutztiere“, die allein bei Tönnis jeden Tag nach 10 Monaten auf engstem Raum ihr Leben lassen für Schnitzel, Burger und Mett? Im niedersächsischen Jagdgesetzt heißt es, das die „Jagd und Hege […] so durchzuführen [sind], dass die biologische Vielfalt und ein artenreicher und gesunder Wildbestand […] erhalten bleiben.“ Doch wer gibt dann uns zum Abschuss frei?

Wir regen uns auf über Pferdefleisch, Gammelfleisch, BSE, Ehec, Dioxin und Biohühner, die keine sind, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass all dies Symptome einer einzigen Krankheit sind: unserer Gier und Maßlosigkeit, mit der wir alles verschlingen, vom Kaninchen bis zur Zukunft unserer Kinder.