Donnerstag, 13. Juni 2013

neues von Drüben

Vor meinem Fenster hängt der Regen in Bindfäden vom aschgrauen Himmel. Die Sturzbäche, die sich da auf Kiel ergießen, hatten mich am Morgen davon überzeugt, dass es vlt. besser wäre, daheim an meiner Abschlussarbeit zu schreiben, um diese ihrem hoffentlich unvermeidlichen Abschluss näher zu bringen. Doch dies hat sich inzwischen als wenig glorreiche Idee entpuppt, denn während sich draußen die erblühende Natur am Nass labt, ist auch nebenan etwas am Entstehen, wenn auch leider mit deutlich weniger Majestät. Renovierung heißt das Zauberwort, mit dem der Mietspiegel gehoben und meine Nerven strapaziert werden und Schlagbohrer und Kreissäge schreiben es kreischend und hämmernd in die Wände des (hoffentlich) bald ein bisschen weniger bezahlbaren Wohnraums, der an meine bis vor kurzem noch gemütlichen Wände grenzt.

Es lärmt und dröhnt, bis ich das Gefühl habe, die Worte die ich zu lesen versuche, tanzten im Takt des Bohrmeißels vor meinen Augen. Gerade als ich das schlimmste überstanden wähne und schon ansetzte aufzuatmen, setzt der Mann jenseits der Wand wieder sein schweres Gerät gegen den altersschwachen Putz und malträtiert diesen wie mein Gehör. Aus dem Aufatmen wird ein Seufzen. Ich frage mich, ob der Mensch auf der anderen Seite des Arbeitsschutzes wegen einen Gehörschutz trägt und ob er nicht vielleicht noch einen übrig hat, denn auch meine Arbeit könnte gerade Schutz vertragen.

Gerade ist es wieder für einen Moment still. Ich lausche gespannt in die plötzliche Lautlosigkeit, die nur vom vergleichsweise sanften Prasseln des Platzregens an den Fensterscheiben gestört wird, als das Schellen der Türklingel mich aufschreckt. Ein in Staub, Mörtel und Arbeitshose gehüllter Mann informiert mich darüber, dass man jetzt das Wasser abstelle, so für mindestens eine Stunde. „Na toll“ denke ich und sage „ok“, während ich mich mit der Hoffnung zu trösten versuche, dass Sanitärarbeiten vlt. etwas weniger Lärm erfordern – eine Hoffnung, die gemeinsam mit den ersten Fliesen zerbricht.