Freitag, 29. März 2013

panta rhei II

Habe ich dich je gekannt? Kann man das denn überhaupt: einen Menschen wirklich kennen? Noch vor ein paar Wochen hätte ich nicht allzu lange gezögert, die Frage mit ja zu beantworten. Doch seitdem ist viel passiert und so wie ich Zeit hatte über mich nachzudenken und teilweise überrascht war, was ich alles dabei fand, so hatte ich auch Gelegenheit mir Gedanken über dich zu machen. Nicht nur darüber, was du getan und nicht getan hast, sondern vielmehr, warum du vielleicht bei manchen Dingen gar nicht anders handeln konntest – oder eben, warum du so entschieden hast, wie du es getan hast, wenn du eine Wahl hattest. Einige Dinge ließen sich dabei noch mit dem Fundus an Wissen erklären, den ich ansammeln konnte in den Tagen, als wir noch miteinander sprachen und es zumindest so schien, als verstünde der eine  den anderen. Aber eben nicht alles. Manches war mir völlig unbegreiflich und trug dazu bei, dass mir der Abschied so schwer fiel.

Inzwischen konnte ich mir auf das meiste einen Reim machen – egal ob nun im Guten oder Schlechten. Im Nachhinein verstehe ich dich, oder wenigstens die Motivation deines Tuns, besser. Doch das ist eben nur im Nachhinein und wer weiß, was inzwischen aus dir geworden ist? Wir wechseln zwar mittlerweile wieder ab und an das ein oder andere Wort, aber dabei werfen wir einander doch im Grunde lediglich Knochen hin; sorgsam ausgewählt, darauf bedacht, dass ja kein Fleisch an ihnen sei. Reden tun wir noch lange nicht wieder miteinander und wer weiß, ob wir das jemals wieder werden; ja überhaupt wollen werden und selbst wenn, ob wir es noch könnten.

Alles fließt. Du sprunghaft durch deine eigene Welt, von einem Katarakt zum nächsten und durch mich ein träger, verschlungener Strom von Gedanken, in dem ich mich manchmal zu verlieren drohe. Jeder Meter verändert uns und hin und wieder verändern wir auch einen kleinen Abschnitt des Weges. Doch solange wir dabei nicht im selben Boot sitzen, wie könnte ich da behaupten, dich zu kennen? Wir wurden lediglich zusammengetrieben und haben für eine Weile Geschichten ausgetauscht, aber nun lenken uns Strömungen jenseits unserer Kontrolle wieder auseinander. Was bleibt, sind die Geschichten. Allein, eine Erzählung muss uns noch lange nichts über den Erzähler verraten. Vielleicht war sie frei erfunden? Vielleicht sollte sie uns etwas Bestimmtes glauben machen? Möglich aber auch, dass der Erzähler selbst sie nicht verstanden hat und nur um der schönen Worte willen wieder gab.

Es bleibt also nichts. Nichts außer Erinnerungen und Fragen und niemand, dem man sie noch stellen könnte, denn derjenige, der sie hätte beantworten können, ist längst nicht mehr; ist ein anderer Mensch, mit anderen Erinnerungen und anderen Fragen, die vielleicht auch niemand mehr beantworten kann.


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